Die Geschichte des Rittergutes Drewen

Seit 1991 veröffentlicht der "Freundeskreis Schlösser und Gärten der Mark" in der Deutschen Gesellschaft e.V. Forschungsbeiträge zu den ehemaligen Adelsgütern der Mark Brandenburg. Die umfangreiche Heftreihe wurde im Dezember 2022 um das Rittergut Drewen ergänzt.

Auf unserer Seite geben wir einige Auszüge aus der Publikation wieder. Die Autoren sind Arnold Körte für die Baubeschreibung des Gutshausanbaus und Carsten Boelter für den familien- und wirtschaftshistorischen Teil.

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Gutshaus anno 1865 Alexander Duncker 'Die ländl. Wohnsitze, Schlösser und Residenzen der ritterschaftlichen Grundbesitzer in der preußischen Monarchie nebst den Königlichen Familien-, Haus-Fideicommiss- und Schatull-Gütern in naturgetreuen, künstlerisch ausgeführten, farbigen Darstellungen nebst begleitendem Text' 7. Band.

Etwa einhundert Kilometer nordwestlich Berlins, eingebettet in die flachen Wogen der prignitzschen Grundmoränenlandschaft unweit des Kyritzer Obersees liegt das Winkelangerdorf Drewen mit seinen knapp 200 Einwohnern. Der Name Drewen ist slawischen Ursprungs. Ein Deutungsansatz liefert die Ableitung aus dem Wort “Holz, Baum”, in Bezugnahme auf die früheren reichen Waldbestände der Gegend. In den slawischen Sprachen heißen Baum und Holz: russ. – дерево ́ ”Baum“, древесинa ”Holz“; tsch. – dřevo. Ein anderer linguistischer Vorschlag lautet ”alt“ oder ”antik“. Im Russischen ist das древнии (drevnii), im Serbischen древaи (drevan).

Drewen und Demerthin waren die beiden Stammgüter der Familie von Klitzing. 1338 findet „villa Drewen“ erstmals urkundliche Erwähnung. 1412 erwarben Dydecke und Philipp von Klitzing in Drewen einen Hof mit 2 Hufen. Der älteste märkische Lehnbrief ist von 1438. Die Vettern Henning, Dietrich und Hans von Klitzing wurden darin von Markgraf Friedrich dem Jüngeren mit Gütern, Renten und Zinsen zu Drewen, Bork, Karnzow, Demerthin, Wutike u. a. Dörfern belehnt, so wie sie bereits deren Eltern innehatten.

Unter den Klitzingschen Lehnsmännern mit Anteilen in Drewen finden wir mehrere Würdenträger in hohen Ämtern. 1512 wurde der Magdeburger Domherr Theodoricus Klitzing aus Drewen in einer Denkschrift zur Errichtung einer Turmspitze auf dem Dom von Stendal erwähnt. 1542 kauften Klaus von Klitzing auf Rehfeld und sein Bruder Achim von ihrem Vetter Lippold dessen Drewener Lehnsgüter.

1590 verglichen sich die Söhne Achim von Klitzings – Klaus und Joachim – betreffs der Lehnsgüter Rehfeld, Karnzow und Drewen. 1598 erfolgte eine weitere Aufteilung zwischen Joachim und Klaus’ Sohn Samuel. Joachims Name und der seiner Gattin Margareta von Retzdorf finden sich auf der großen Drewener Kirchenglocke. 1660 trat deren Sohn Joachim Adam von Klitzing seine Güter in Drewen und Karnzow an seine Söhne Kuno Joachim und Adam Christoph ab. Adam Christoph bekam durch Los Drewen.

Das Gutshaus Drewen und die Stadt Kyritz

Drewen in der Ostprignitz wurde im Frühjahr 2003 als eigenständige Gemeinde aufgelöst und im Zuge der Neugliederungsgesetze des Landes Brandenburg der Stadt Kyritz zugesprochen. Eine Beschwerde Drewens beim Verfassungsgericht gegen die Eingemeindung hatte keinen Erfolg. Nachteile seien durch die Aufhebung seiner Selbstständigkeit nicht zu befürchten, das öffentliche Wohl werde auch zukünftig hinreichend beachtet, so das Gericht. Im Urteil verwiesen die Richter auf die Leitbilder zur ländlichen Entwicklung, die für Kyritz verpflichtend seien und infolge dessen sich der Autonomieverlust des Dorfes nicht negativ auswirken werde.

Die Geschehnisse der letzten zwei Jahrzehnte um das Gutshaus Drewen offenbaren in Wahrheit eine riesige Kluft zwischen den vollmundigen Versicherungen der Landespolitik und den tatsächlichen Handlungen der Stadt Kyritz. Kyritz hat die materiellen Vorteile aus der Gebietsreform bereitwillig angenommen, sieht auf der Gegenseite aber keine Veranlassung, sich für das langfristige Wohlergehen seiner Dörfer einzusetzen. Gebäude, die zuvor in Dorfbesitz waren, wurden durch die Stadt veräußert und historische Gutshäuser dem Verfall preis gegeben. Ein Politikum besonderer Art sind die Geschehnisse in Drewen.

Während man dem dortigen Gutshaus zu DDR-Zeiten hauptsächlich ästhetische Gewalt antat und es von seinem für sozialistische Verhältnisse unzeitgemäßen Dekor erlöste, befreite Kyritz es lange nach der deutschen Wiedervereinigung auch von seinen Mietern. Anfang 2021 hatte es die Stadt geschafft. Alle Bewohner waren vertrieben, sämtliche Wohnungen leer.

Zum Befreiungsschlag von der Last des alten Bauwerks holte man im Jahr 2018 aus. Nachdem Reparaturen und Erhaltungsmaßnahmen dauerhaft vermieden worden waren, fasste die amtierende Kyritzer Bürgermeisterin Nora Görke den Entschluss, den Abgesang für das Gutshaus einzuläuten. Sie hatte oft und wiederholt kundgetan, was sie von Drewen und dem Gutshaus hält: Die Stadt ist mit dem Gutshaus überfordert, der Fokus muss auf der Kernstadt liegen.

Die Befindlichkeiten der Dörfler, ländliche Entwicklung, historische und dörfliche Verbundenheit sind demnanch nichts, womit sie sich aufzuhalten gedenkt. Was den SMAD-Befehl Nr. 209 und 40 Jahre Mangelwirtschaft überdauert hat, ist heute mehr denn je in Gefahr. Jegliche Bemühung für den Erhalt des Bauwerks lehnt sie ab, auf alle Vorschläge folgt immer dieselbe Antwort: Die Stadt kann sich den Erhalt des Gutshauses nicht leisten. Dabei zirkulieren im Netzwerk von Politik, Verwaltung und Investoren große Fördersummen mitunter auch für die närrischsten und überflüssigsten Projekte ohne jeglichen Nutzen.

Im besagten Jahr 2018 wurde aus dem Fonds des städtischen Haushalts, der für die Förderung der Kultur bestimmt ist, eine sogenannte Machbarkeitsstudie finanziert. Den Auftrag dazu erhielt ein Berliner Bauunternehmen des Vertrauens. Es ist nicht bekannt, ob hierfür eine Ausschreibung erfolgte. Die Studie wies dann - oh Wunder - die Unwirtschaftlichkeit einer Sanierung aus. Als die beste Lösung wurde nun der Abriss des Seitengebäudes debattiert. Die Mehrheit der Stadtverordneten vertraute den Expertenberechnungen blind, schließlich präsentieren sich Zahlen gern als Fakten.

In der Bevölkerung trauten nicht alle den überhöht dargestellten Kosten. Franziska Franken, eine Urenkelin der vorletzten Besitzer des Ritterguts Drewen und angehende Architektin, fertigte in dieser Zeit gerade ihre Abschlussarbeit zum Gutshaus an. Darin gab sie Martin Gropius als Baumeister des Seitengebäudes an, also den Teil des Gutshauses, den die Kyritzer Verwaltung wahrscheinlich niedergerissen hätte, wenn dem nicht entgegengewirkt worden wäre.

Woher wusste sie, dass Martin Gropius der Erbauer war? Diese Frage stellte sich Carsten Boelter, der im Jahr 2020 Rittergüter der Ostprignitz erforscht hatte und in allen zugänglichen Unterlagen und Archiven keine derartige Urheberschaft fand. Alte Bauunterlagen in Frankens Familienarchiv belegten Gropius als Baumeister. Das war eine Sensation!

Ohne Zeit zu verlieren kontaktierte Boelter Arnold Körte - die unangefochtene Autorität zu Martin Gropius. In seinem Werk zum Berliner Baumeister war Drewen nicht erwähnt. Auch für ihn war das eine außergewöhnliche Neuigkeit, denn bislang galt die Villa Heese in Berlin als Gropius’ Erstling.

Ein Schritt ergab jetzt den anderen. Ende 2021 war das Gutshaus unter Denkmalschutz gestellt, ein erstes Aufatmen für alle Kulturmenschen und die Bewohner Drewens. Im Kyritzer Rathaus wurde das nicht so freudig aufgenommen. Man stimmte dort stattdessen in einen neuen Refrain ein: Eine Sanierung ist jetzt noch viel teurer.

Die Unterschutzstellung hat den Verfall bislang nicht eindämmen können. Parteipolitische Verstrickungen haben zum Entsetzen etlicher Bürger fragwürdige Methoden innerhalb des Kyritzer Verwaltungs- und Politikbetriebs offengelegt. Dabei ist mehrmals die bewusste Verbreitung von Falschinformationenen zutage getreten und der Verdacht auf ungesetzliche Abmachungen genährt worden. Im Zusammenspiel mit dem Unterlassen von Erhaltungs- und Reparaturmaßnamen wird offenbar das Ziel verfolgt, den Verfall des Denkmals bewusst zu beschleunigen."

Ein Gutshaus und ein Verein

Das Dorf Drewen in der Ostprignitz liegt an der nordöstlichen Grenze der einstigen Kyritzer Feldmark. Domherren, Hofmeister und Räte der Markgrafen kamen aus Drewen. Seine Geschichte ist deshalb auch die der Mark Brandenburg. Sie zu erkunden, lohnt sich aus mehreren Gründen.

Nach der Bodenreform von 1945 wurde das Drewener Herrenhaus Dorfbesitz. Von da an konnten es alle Einwohner nutzen, als Kindergarten, Gaststätte, LPG-Kantine, Kino und Wohnhaus. Durch diese Erinnerungen ist es ihnen besonders ans Herz gewachsen. Seine Geschichte vor dieser Zeit wurde jetzt erst veröffentlicht. Das alles schafft Identität und Ortsverbundenheit, Gefühle, die von den meisten Politikern so gerne im Munde geführt werden. 2003 kam Drewen zu Kyritz. Die Politik versprach sich davon einen Nutzen für das Land, die Stadt und das Dorf. Die Realität wurde eine andere. Statt blühender Landschaften hat Drewen heute einen Park voller Müll und ein Gutshaus, das zusehends verfällt."

Es ist doch leicht zu verstehen: alte Gutshäuser sind wertvoll! Sie sind sichtbare und erlebbare Heimat, ein vorzügliches Mittel zur Bildung. Keine Anstrengung für sie darf uns zuviel sein. Sogar die härtesten Kommunisten hatten das irgendwann erkannt, indem sie sie wenigstens nutzten. Wer dies verhindert, zerstört sie und wer ohne Gewissensbisse dabei zusieht, ist ein Feind der Kultur, jemand, der sich an unseren Kindern versündigt. Die Gutshäuser sind es wert, dass man die Namen ihrer Zerstörer in der Geschichte benennt.\n\nIm Mai 2022 haben wir den Verein Drewener Werkstätten Martin Gropius gegründet, um das Gutshaus in Drewen zu erhalten und um uns gegen kulturelle Verrohung und Orientierungslosigkeit aufzulehnen. Die Bewahrung und Förderung der ländlichen Kultur betrachten wir als Voraussetzung für eine lebenswerte Zukunft. In der ländlichen Kultur liegt die Wurzel der Menschlichkeit, sie ist ein Heilmittel gegen Raubwirtschaft, urbane Dekadenz und die Erinnerungslücken an unsere Herkunft.\n\nDas Gutshaus zu retten, ist eigentlich nicht schwer. Man bräuchte nur Werkstätten darin einrichten und könnte so das Haus Stück für Stück wieder in einen guten Zustand versetzen. Gleichzeitig würde unsere Jugend praktische Fähigkeiten erlernen und den höheren Sinn des Lebens begreifen. Das ist eine lohnenswerte Aufgabe, für die wir Unterstützung brauchen statt Behinderung.

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